Die Weisheit deines Körpers
„Ich wusste nicht, wie sehr ich meinen Körper vernachlässigt habe, bis er angefangen hat, sich zu beschweren“, schrieb mir eine Klientin kürzlich. Sie kam in meine Praxis mit chronischen Nackenverspannungen und ständiger Übermüdung. Diese Symptome sehe ich ziemlich häufig in meiner Praxis. Meistens schieben die Menschen dies auf Stress und Zeitmangel im Alltag. Natürlich ist das auch so, wir leben in einem Alltag voller Termine, Zeitdruck und Dauerinput. Dazu kommt die ständige Erreichbarkeit und Performancedruck sowohl im beruflichen, wie auch im privaten Bereich.
Erst als ich sie einlud, sich im Rahmen der osteopathischen Sitzung zu entspannen, so gut es ihr möglich ist und ihre Aufmerksamkeit sanft nach innen zu lenken, spürte sie etwas Neues: sie kam plötzlich und zum erstem Mal seit Jahren wieder ganz bei sich an. Sie nahm ihren Körper auf eine ganz neue Weise wahr und spürte, wie die sanften Techniken im gesamten Körper wirkten obwohl es sich manchmal „nur“ wie Handauflegen anfühlte. Diese „leisen Signale“ öffneten ihr den Zugang zu einem ganz anderen Verständnis von Wohlbefinden.
Leise Signale verstehen
Was passiert im Körper?
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Dauerstress aktiviert das sympathische Nervensystem („Kampf-oder-Flucht-oder- Freeze“- Reaktion).
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Muskuläre Anspannung baut sich auf, häufig im Nacken-, Kiefer- und Lendenbereich.
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Unbewusste Schutzhaltungen führen zu chronischen Verspannungen und Schmerzen.
Kurz erklärt: Wenn dein Körper ständig „Alarm“ schlägt, verschiebt sich dein gesamtes Gleichgewicht – von innerer Ruhe hin zur Daueranspannung.
Hinzu kommt die unnatürliche, dauerhaft verkrampfte Körperhaltung in vielen Berufen sowie ein Mangel an natürlicher Bewegung, wie es zum Beispiel stundenlanges Sitzen am Computer in Bürojobs erfordert. Dies belastet sowohl die Wirbelsäule als auch unsere Augen stark. Und es führt ebenfalls zu Nackenverspannungen und manchmal auch zu Kopfschmerzen.
Warum viele Frauen diese Signale überhören
- Rollen und Verantwortungen: Familie, Beruf, Care-Arbeit sind alles Aufgaben, die selten pausieren. Im Gegenteil, sie fallen rund um die Uhr an, also 24/7 Dauereinsatz.
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Frauen neigen dazu, sich überproportional für das Wohl der Menschen in ihrer Umgebung verantwortlich zu fühlen und laden sich, ob bewusst oder unbewusst mehr Verantwortung auf, als ihnen gut tut. Glaubenssätze wie: „Wenn ich es nicht tue, tut es niemand sonst.“ halten sie davon ab, Verantwortlichkeiten abzugeben und für eine faire Aufteilung zu sorgen.
Tradierte Rollenvorstellungen tragen ebenfalls dazu bei, stereotype Aufgabenverteilung zu zementieren.
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Selbstverleugnung: Das eigene Wohl wird hintenangestellt, bis es nicht mehr ignorierbar ist.
Hier greifen toxische Vorstellungen, dass es egoistisch sei, für sich selbst zu sorgen und sich selbst Priorität einzuräumen. In diesem Zusammenhang möchte ich an die Hinweise auf Flugreisen erinnern. Hier heißt es: „Falls der Kabinendruck abfällt, legen Sie sich zuerst die Atemmaske an, bevor Sie anderen helfen.“ Denn wenn man selbst keine Luft mehr bekommt, kann man niemanden sonst retten. Die Aufforderung ist demnach ziemlich klar: Sich selbst priorisieren, dann ist genug Kapazität vorhanden, um das Wohl von anderen im Blick zu haben.
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Gedanklicher Dauerbetrieb: Der innere General, der pausenlos Termine, To-dos und Sorgen einflüstert und managt, übertönt jede Körpermeldung.
Dies führt dazu, dass zunächst Signale, die der Körper und die emotionale Befindlichkeit aussenden, um auf eine Dysbalance hinzuweisen, ignoriert werden. Bis es einfach nicht mehr geht und die Verspannungen oder Schmerzen so heftig werden, dass ein Wegdrücken unmöglich ist.
Praxisbeobachtung: In meiner Arbeit höre ich oft: „Ich habe ja keine Zeit, auf mich selbst zu hören.“ Das kann ich sehr gut nachempfinden und gleichzeitig weiß ich mit Sicherheit, dass Selbstpflege und Gesundheit nicht aufschiebbar sind. Manifestiert sich erstmal eine ernsthafte Erkrankung oder ein chronisches Geschehen im Körper, spätestens dann ist es Zeit, die eigene Gesundheit in den Mittelpunkt allen Handelns zu stellen. Deshalb plädiere ich dafür, kontinuierlich - seien es auch nur wenige Augenblicke, das eigene Befinden zu priorisieren - dies kann eine neue Tür öffnen.
Wie du wieder lernst zuzuhören
Beginne mit drei einfachen Mini-Übungen, die sich nahtlos in deinen Alltag einfügen:
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1-Minuten-Körper-Check am Morgen
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Richte nach dem Aufwachen deine Aufmerksamkeit nacheinander auf Füße, Beine, Hüfte, Brustkorb, Schultern, Hals und Kopf.
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Spüre, wo Spannung sitzt, und atme bewusst dorthin.
- Nimm dann deinen Körper als Ganzheit wahr und steh mit frischer Energie auf.
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Tägliche Pausen-Erinnerung
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Stelle dir einen sanften Reminder (z. B. Kalendereintrag „Körper lauschen“) für 3× täglich.
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Nutze die kurze Pause, um dein Kiefergelenk zu lockern: Unterkiefer leicht nach vorne schieben und wieder loslassen. Entspanne deine Augen, indem du in die Ferne schaust und danach 1 Minute nach rechts und eine Minute nach links ohne den Kopf zu bewegen. Spüre wie sich dadurch dein Nacken leichter anfühlt.
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Abendlicher Nachklang-Impuls
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Beende deinen Tag mit der Frage: „Welches Körptersignal hat mich heute begleitet?“
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Notiere ein Stichwort oder ein kurzes Gefühl („Ziehen im Nacken“, „leichte Spannung im Bauch“).
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Mini-Ritual: 1–2 Minuten genügen oft, um wieder eine Verbindung zu deinem System spüren zu können.
Nimm dir jetzt ein Blatt Papier oder ein Notizbuch und beantworte für dich:
Wann hast du zuletzt bewusst gespürt, wie es dir geht?
Welches kleine Signal (z. B. Pochen, Ziehen, Wärme) ist dir heute begegnet?
Wie könntest du diesem Signal morgen mehr Raum geben?
Schreibe deine Antworten nieder – sie sind der Schlüssel zu nachhaltiger Selbstfürsorge.
Ausblick & Einladung
Es geht nicht darum, noch mehr zu leisten, sondern dein inneres Navigationssystem neu zu kalibrieren. Wenn du lernst, den feinen Kompass deines Körpers zu spüren, findest du zu mehr Leichtigkeit, Gelassenheit und dauerhafter Schmerzfreiheit.
Ich freue mich darauf, dich auf diesem Weg ein Stück mit meinen Impulsen zu begleiten!