Im ersten Artikel zum Thema „Psychoemotionale Gesundheit“ habe ich dir den Unterschied zwischen Gefühlen und Emotionen verdeutlicht. Dir ist nun klar, dass Gefühle uns vom Anfang bis zum Ende unseres Lebens begleiten. Du hast erfahren, dass sie im und vom Körper bzw. deinem Gehirn 'gemacht' werden. Dieser Vorgang wird auch Emotionskonstruktion genannt.

Unser Körper ist der feinste Seismograph für Empfindungen und damit das zentrale Kommunikationsorgan zwischen unserem Innenleben und unserem Bewusstsein. In der Fachsprache nennt man diesen Bereich auch Interozeption: die Fähigkeit, innere Körperzustände wie Puls, Atmung, Hunger oder Anspannung wahrzunehmen.

Um dir dieses Konzept näher zu bringen, ist es von Vorteil, weitere natürliche und gesunde Funktionsprinzipien deines Körpers zu kennen: Homöostase und physiologischer Energiehaushalt.

 Über verschiedene sogenannte Regelkreise und Rückkopplungsschleifen wird hier dein kompletter Stoffwechsel, Hormonhaushalt, neuronale Funktionen, Körpertemperatur usw. reguliert und in einer für dich angemessenen und gesunden Balance gehalten.

Praktisches Beispiel: Knochenstoffwechsel bei Beanspruchung

Am Beispiel des Knochenstoffwechsels möchte ich dir das näher erläutern: Benutzen wir unseren Körper und setzen ihn zum Beispiel neuen, ungewohnten Belastungen aus, indem wir beispielsweise entscheiden ins Fitnessstudion zu gehen, um mehr Bewegung zu bekommen, dann wachsen nicht nur unsere Muskeln, sondern auch unsere Knochen bauen Substanz auf.

Dies dient dazu, der ungewohnten Beanspruchung gerecht zu werden und sich an die neue Situation anzupassen.

Ein Körperupdate erfolgt:

• Es wird vermehrt Knochenmasse aufgebaut – parallel zum weiterhin laufenden Abbau.
• Beides geschieht gleichzeitig, aber zugunsten des Aufbaus.
• Die Knochenmasse vermehrt sich und insgesamt werden die Knochen stabiler.

Der Körper benötigt hierfür Material. Dieses Material sollten wir ihm über die Ernährung zuführen, zum Beispiel durch calciumreiche Nahrungsmittel wie grüne Bohnen, Mungobohnensprossen oder Kräuter wie Basilikum. So entsteht kein Mangel und die Homöostase wird problemlos neu justiert und aufrechterhalten.

Des Weiteren benötigt er auch Vitamin D für einen gesunden Knochenstoffwechsel: dies stellt er normalerweise in der Haut mit Hilfe von Sonnenlicht her. Wir sehnen uns instiktiv nach Helligkeit und sonnigen Tagen.

Es kann nun sein, dass unser Körper uns signalisiert, mit dem Appetit auf gewisse Speisen, dass bestimmte Mineralstoffe, Vitamine oder andere benötigte Baustoffe fehlen – ein wichtiges Kommunikationssignal unseres Körpers, auf das wir adäquat reagieren sollten, um gesund zu bleiben und den Körper in homöostatischer Balance zu halten.

So ähnlich funktioniert auch unser physiologischer Energiehaushalt. Auch hier gibt es verschiedene Rückkopplungsschleifen im Körpersystem: hormonell gesteuert, durch Neurotransmitter vermittelt oder durch Elektrolytespiegel im Blut – meist alles gleichzeitig, automatisiert und sehr fein aufeinander abgestimmt wie ein eingespieltes, sehr gut synchronisiertes Orchester.

Überall in deinem somatischen System befinden sich Sensoren, die Norm- und Sollwerte in deinem Körper mit dem aktuellen Ist-Zustand abgleichen und melden, ob ein Zuviel, Zuwenig oder ein Optimum vorherrscht und ob alles für dich safe ist.

Dies meldet dir dein Gehirn in Form von Wohlsein oder Unwohlsein. Und du entscheidest zum Beispiel bei einem Hungergefühl, etwas Nahrung zu dir zu nehmen, um wieder ins Gleichgewicht zu finden. Etwas zu essen ist gleichbedeutend mit der Aufnahme von Energie in Form von Lebensmitteln, die dein Körper so umwandelt, dass er sie nutzen kann, um weitere Substanz aufzubauen, dir Bewegung zu ermöglichen und dich dein Tagwerk erledigen lassen.

Auch Pausen machen oder schlafen sorgen dafür, dass sich deine Ressourcenspeicher wieder auffüllen. Eine gesunde Balance von Aktivität und Ruhe ist daher essentiell für einen gesunden, physiologischen Energiehaushalt.

Alle in den vorigen Abschnitten genannten Beispiele spiegeln deine natürliche Physiologie wieder. Parallel dazu werden in deinem System, vor allem im Gehirn Sinneseindrücke aus der äußeren Welt – also deiner Umgebung, verarbeitet.

Während wir handeln, einer Aktivität nachgehen oder uns bewegen, laufen in unserem Körper im Hintergrund hochkomplexe Prozesse ab: Sensoren prüfen laufend, ob du in Balance bist, ob du genug Energie hast, ob dir Nährstoffe fehlen oder ob du vielleicht eine Pause brauchst.

Dein Gehirn wertet all diese Zeichen aus, kombiniert sie mit äußeren Eindrücken und früheren Erfahrungen und deutet sie für dich.

Das Ergebnis?

• Eine Stimmung (angenhem ↔ unangenehm; entspannt ↔ erregt oder neutrale Empfindung),
• eine Emotion,
• ein Gefühl.

Sie alle sind Botschaften deiner inneren Welt.

• Wenn dein Körper Substanz und Baumaterial für spezielle Prozesse braucht (z. B. für den Knochenstoffwechsel), bekommst du wahrscheinlich Gelüste auf bestimmte Nahrungsmittel.
  Vielleicht hast du Lust auf grüne Bohnen, Nüsse, Orangen, Erdbeeren oder plötzlich ein Verlangen nach Kräutern wie Basilikum oder Majoran. Dein Körper spricht über deine Sinne (Geschmack oder Geruch) mit dir, zwar leise, aber klar.                                              Diese Appetitimpulse sind keine „abnormen Gelüste“, wie sie häufig Schwangeren angedichtet werden, sondern Ausdruck eines biologischen Bedarfs. Wenn du lernst, sie zu verstehen, kannst du dein inneres Gleichgewicht liebevoll unterstützen.

• Viele Menschen mögen Sonnenschein und helle Tage, ein denkbares Signal, dass der Körper Vitamin D in der Haut mit Hilfe der Sonne produzieren möchte.
  Diese Sehnsucht ist evolutionsbiologisch gut erklärbar: Sonnenlicht regt in unserer Haut die Bildung von Vitamin D an. Dieses Vitamin ist ein wichtiger Hormonvorläufer, der unter anderem für den Knochenstoffwechsel, das Immunsystem und unsere Stimmung relevant ist.
  Zusätzlich fördert natürliches Licht auch die Ausschüttung von Serotonin, einem Neurotransmitter, der unser Wohlbefinden und unsere innere Stabilität unterstützt.
  Unser Körper signalisiert uns also ganz direkt, was er braucht: Licht, Wärme, Energie.

• Müdigkeit signalisiert, dass jetzt eine Pause notwendig ist. Dein System will seine Speicher wieder auffüllen.
  Ob nach geistiger Anstrengung, emotionaler Belastung oder körperlichem Tun: Müdigkeit ist kein Defizit, sondern eine Erinnerung an deine natürlichen Rhythmen. Sie zeigt an, dass Regeneration dran ist. Vielleicht in Form eines kurzen Rückzugs, ein tiefer Atemzug, eine warme Mahlzeit oder einfach Schlaf. Gönnst du dir das, kann dein Körper dich wieder kraftvoll tragen.

Du siehst also, Emotionen können uns konkrete Hinweise auf körperliche Zustände liefern.

                                                     Was für ein Geschenk!

Bevor du also das nächste Mal von Wut überrollt wirst, nimm dir einen Moment, um innezuhalten. Was will dein Körper dir wirklich sagen? Vielleicht ist es nicht (nur) die Wut, sondern ein Bedürfnis, das gesehen werden will.

In einem weiteren Artikel werde ich näher auf die Funktion von Emotionen und Bedürfnissen als soziale Realität eingehen und wie sie deine psychoemotionale Gesundheit und Resilienz stärken.

Ich freue mich auf deine wertschätzende Rückmeldung unter info@fechner-scholz.de und wünsche alles Liebe in deinen Tag.